Wie alles begann

Ein paar Notizen zum Anfang und den Besonderheiten des nicht-linearen Malprozesses

Ich liege im Bett und sehe an meiner Zimmerdecke ein großes quadratisches Ölbild. Zu diesem Zeitpunkt, es ist Sommer 2011, drängte mich meine innere Stimme schon etwa zwei Jahre zu malen. Ich sträubte mich. Es gab Momente, wo ich ein bisschen herum probierte und es gleich wieder ließ. In der Rückbetrachtung war es wohl so, dass ich mich vor der Ernsthaftigkeit des Rufes fürchtete. Ich hatte schon mehrmals den Beruf gewechselt und war seit 1995 als Autorin und Drehbuchautorin tätig. Neun Jahre zuvor hatte ein machtvolles spirituelles Erwachen mein Leben komplett aus den Angeln gehoben. Ich hatte begonnen, Menschen mit Hilfe meiner intuitiven Fähigkeiten und meinem inneren Sehen zu begleiten. Ich wollte keine neue, große Veränderung.

Und dann liege ich da, stocknüchtern und hellwach, und sehe dieses abstrakte Bild an der Decke, wo normalerweise keins ist. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich dieses Bild betrachtet habe. Nur eines weiß ich in diesem Moment ohne jeden Zweifel: ich muss es malen. Bis heute habe ich nicht exakt das Bild von der Zimmerdecke gemalt, aber als in an ‚The Key’ (siehe vorne) arbeitete, hatte ich das Gefühl, ganz nah dran zu sein. In den folgenden Jahren werden meine Bilder immer wieder von intensiven Visionen begleitet sein, bis diese nachlassen und zur Zeit für meine Inspiration auch nicht nötig sind. 

Als ich begann, mit Ölfarbe und Leinwand zu experimentieren, sagte eine innere Stimme sehr laut und sehr streng zu mir: Kein Pinselstrich darf dir gleichgültig sein. Das ist möglicherweise der wichtigste Ratschlag, den mir bisher jemand zu meiner Kunst gegeben hat. Er lässt eine Menge Probleme gar nicht erst entstehen. 

Sehr schnell wurde mir bewusst, dass ich anders als andere Künstler kaum Einfluß auf die Wahl der Farben habe – ich sehe sie vor meinem inneren Auge und weiß auch sofort, ob ich die Farbe habe bzw. mischen kann oder noch besorgen muss. Ich male aus einem Feld ohne Gedanken, in dem sich jeder Strich und jede Bewegung erst im Moment der Ausführung zeigt. Da ich also vorher nicht weiß, ob ich eine zarte Linie von zwei Zentimetern, einen Kreis so groß wie die Leinwand oder ein ganzes Farbfeld gestalte, benutze ich einen einzigen Pinsel mittlerer Stärke, der im besten Fall alles mitmacht. Den Pinsel ständig zu wechseln würde den Fluss zerstören. 

Wenn ich zu einer Bewegung ansetze, die den vorausgehenden Impuls falsch interpretiert, friert mein Arm auf der Stelle ein und ich kann sie nicht ausführen. Ich muss dann neu ansetzen. Ab und zu passiert es trotzdem, dass ich einen Fehler mache, was ich im ganzen Körper fühle wie einen schiefen Ton. Gleichzeitig formen sich sofort Lösungen und mit ein paar Strichen wird die Harmonie wieder hergestellt. Ich habe auch versucht, Zeichenunterricht zu nehmen und mein Arm hat sich den vorgegebenen Linien vollständig verweigert. Ich merkte, dass ich andere Wege gehen muss, um mich weiter zu entwickeln. 

Ein anderes Merkmal meiner Arbeit ist die Gestaltung in sehr, sehr vielen Schichten. Bei manchen Ölbildern sind es hunderte von hauchfeinen Schichten übereinander, von denen am Ende nur die obersten überhaupt zu sehen sind. Ich kann fühlen, wie die Farbschichten miteinander arbeiten und sich gegenseitig beeinflussen. So zu malen erfordert große innere Ruhe, viel Hingabe und Geduld. 

Meine Bilder und Zeichnungen entstehen nicht-linear. Sogar die Materialien kommen nicht-linear zu mir, manchmal bekomme ich etwas, was ich zuallerletzt brauchen werde, schon ganz am Anfang – sogar Jahre vorher. Alles entsteht gleichzeitig und aus allen Richtungen. Natürlich sind der physischen Umsetzung eines solchen Prozesses Grenzen gesetzt. Der Bildaufbau ist jedoch recht unorthodox. Während an einigen Stellen schon mehrere Dutzend Farbschichten übereinander liegen, sind andere noch kaum grundiert und das bleibt auch oft bis fast zur Fertigstellung des Bildes, wenn auch diese Stellen von einer Farbwelle erfasst werden. 

In meiner Kunst ist buchstäblich Musik drin. Zu jeder Farbe gehört auch Klang. Das ist der Grund, warum Synästhetiker Klänge in Farben sehen. Beim Auftragen der Farben spielt Rhythmus oft eine Rolle, ich strichele und tupfe zu einer Musik, die nur ich hören kann. Es ist auch keinesfalls gleichgültig, ob ich einen Strich von rechts nach links oder andersherum setze – alles hat eine Bedeutung und jeder einzelne Tupfer verändert das gesamte Bild. Das gilt übrigens für das ganze Leben von uns allen. Jede Entscheidung die wir treffen, wirkt in alle Richtungen – in die Vergangenheiten ebenso wie in die Zukunft. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, meine Einblicke in das, was die Welt im Inneren zusammen hält, über meine Kunst zu zeigen und zu teilen.