Metaphysische Malerei

 

In der metaphysischen Malerei, wie ich sie verstehe,  gibt es keinen anwendbaren Begriff davon, wie die Welt ist, da sie in jedem Moment neu erschaffen wird. Aus diesem Grund entsteht beim Betrachten meiner Bilder  und Zeichnungen auch der Eindruck, dass sie sich ständig bewegen.

Beim Malen aus dem Nullpunkt gibt weder Ende noch Anfang. Was mit Worten benannt werden kann, ist ein Blick in den Rückspiegel, denn über alles, was wir beschreiben können – wofür wir gemeinsam genutzte Wörter und Definitionen gefunden haben – sind wir längst hinaus gewachsen.

Jeder Mensch erlebt seine individuelle und fließende Realität. Jeder Mensch kann seine Realität in jedem Moment verändern.

Von grundsätzlicher Bedeutung ist, dass sich alles in alle Richtungen entfaltet und aus allen Richtungen betrachtet wird. Das gilt für menschliche Entwicklungs- und Reifungsprozesse und auch für meine Bilder. Aus diesem Grund sind die meisten meiner Bilder auch am Rand bemalt, sie umfassen alle Richtungen wie auch die Beziehungen zwischen oben und unten, innen und außen.

Ich male oft in Schichten, bei einigen Bilder sind es hunderte von hauchfeinen Schichten übereinander gelegt, jede in einer anderen Farbnuance. Mit meiner inneren Wahrnehmung ‚sehe‘ ich auch in Schichten.

Alles, was räumlich scheint, ist von einer anderen Wahrnehmungsebene aus auch als Schichten sichtbar oder als Gewebe (ein Teil meiner Zeichnungen gibt Gewebestrukturen wieder) Die Größe in der räumlichen Ausdehnung ist dabei unerheblich. So ist es z.B. möglich, etwas Großes wie ein Land oder einen Kontinent in Schichten zu sehen, aber auch etwas ganz Kleines wie einen Grashalm oder ein Sandkorn.

Das Malen von nicht-linearen, multi-dimensionalen Perspektiven überfordert das menschliche Gehirn am Anfang, weil es versucht zu verstehen, was es nicht interpretieren kann. Der ganze Körper reagiert mit Müdigkeit, manchmal auch mit starken Emotionen oder Übelkeit. Hochfrequente Informationen werden über die Drüsen, das Lymphsystem und das Nervensystem übertragen, weshalb die Drüsen und der Vagusnerv bei jeder neuen Informationsebene stark vibrieren, bis sie sich an die Frequenz der übertragenen Information angepasst haben.

Anfänglich habe ich immer nur wenige Minuten malen können, wenn ich neue Informationen auf die Leinwand übertragen habe. Beim Zeichnen geht es mir heute noch manchmal ähnlich. Je neuer etwas ist, je weniger Nervenbahnen dafür zur Verfügung stehen und je nachdem, wie beschäftigt das Nervensystem gerade ist, kann ich manchmal nur zehn Minuten am Stück zeichnen und brauche dann eine Pause.

Warum mache ich das? Ich könnte mein Leben ja auch einfacher gestalten und Surfbretter verleihen oder ein Bed-and-Breakfast eröffnen, was ich mir auch lange gewünscht habe.

Ich mache das, weil es mir unendliche Freude macht, Neues zu entdecken. Und weil ich mehrere prägende Erlebnisse hatte, die mich mit äußerst interessanten Fragen zurückgelassen haben, auf die ich nicht unbedingt eine endgültige Antwort haben muss, um ihnen trotzdem nachgehen zu wollen.

Bei einem dieser Erlebnisse habe ich an einer Gruppenmeditation teilgenommen und war leicht verwundert, als mit einem Mal alle Geräusche im Raum verstummten. Keine leise Hintergrundmusik mehr, kein Geräusch mehr von der Straße vor dem Haus, kein noch so leises Rascheln oder Atmen. Als ich die Augen öffnete, war ich in einem vollkommen weißen Raum. Da war nichts mehr, kein Fußboden, keine Wände, keine Decke, keine anderen Menschen. Ich dachte: Oh ha, jetzt hänge ich irgendwie dazwischen. Einen Moment lang hatte ich Angst, mich nicht mehr richtig einfädeln zu können. Dann habe ich Augen wieder geschlossen und mir vorgestellt, wie ich mich erneut auf den Meditationsraum einzoome. Das hat gut geklappt, die Geräusche kamen wieder und der Rest war auch wieder da.

Später habe ich noch bei anderen Gelegenheit erlebt, wie meine Umgebung sich in weißes Licht aufgelöst hat und sich erst nach und nach wieder zusammenbaute. Übrigens nicht in Meditationen, sondern in anderen, alltäglicheren Zusammenhängen. Das hat mich neugierig gemacht auf die ‚Baupläne‘ von Realitäten.

Beim Malen lerne ich, indem ich etwas weitergebe. Egal, mit was man sich beschäftigt, es ist ja immer charakterbildend. So habe ich gelernt, mich nicht davon frustrieren zu lassen, dass das meiste, was ich male, auf der fertigen Bildoberfläche nicht zu sehen ist. Es ist zu spüren. Ich lerne Geduld, von der ich reichlich brauche, wenn ein Bild über Jahre hinweg wächst. Wenn ich mich gehetzt fühle, male ich noch langsamer, das hilft.

Ich sehe die metaphysischen Ebenen auch in einigen Bildern anderer Malerinnen und Maler vergangener Jahrzehnte, auch wenn diese sich selbst nicht bewusst damit beschäftigt haben. Ich kann die Kämpfe erahnen, die diese Künstler mit sich ausgefochten haben, weil die Kräfte, die auf einen Menschen einwirken, der fließende Informationen in ein starres System überträgt, sind gewaltig.

Kunst, die mich persönlich berührt, hat immer ein Element des Preisens in sich. Wer in seinen Büchern, seinen Liedern oder seinen Bildern etwas preist oder über sein Handwerk der Welt etwas von Bedeutung hinzufügt, hat einen liebenden Blick auf sich und die Welt. Die Kunst, die unter diesem Blick wächst, habe ich gerne um mich.